Artikel in der HAZ

am 17.01.2024

Gesundheit

Brustkrebs-Vorsorge in Stadt und Kreis Hildesheim: Bald bekommen deutlich mehr Frauen das Recht auf regelmäßige Checks

Hildesheim – Regelmäßiges Mammographie-Screening steht bislang Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren zu. Von Sommer an bekommen auch ältere Frauen dieses Recht – und bald wahrscheinlich auch jüngere. Wie funktioniert das in Stadt und Kreis Hildesheim, wie viele Erkrankungen fallen auf, wie sind die Chancen auf Heilung?

  • von Tarek Abu Ajamieh
  • Veröffentlicht am: 16. Jan 2024 – 6:54 Uhr
  • Aktualisiert: 19. Jan 2024 – 13:59 Uhr
  • 3 Min. 

Mit dieser Brust ist alles in Ordnung: Dr. Christoph Uleer und Christa Mämecke studieren Aufnahmen vom Mammographie-Screening. Foto: Chris Gossmann

Hildesheim – In wenigen Monaten bekommen deutlich mehr Frauen als bislang das Recht, sich regelmäßig per Mammographie-Screening auf Anzeichen von Brustkrebs untersuchen zu lassen. Es soll sich von Juli an auch auf die Altersgruppe von 70 bis 75 Jahren erstrecken. Und fast alles deutet darauf hin, dass ein Jahr später auch 45- bis 49-jährige Frauen das Anrecht auf diese kostenlose Vorsorge-Untersuchung bekommen.

Der Hildesheimer Frauenarzt Dr. Christoph Uleer, der gemeinsam mit einer Göttinger Kollegin das Mammographie-Screening im südlichen Niedersachsen organisiert, empfiehlt dringend, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen. Der Aufwand sei gering, der Nutzen könne gewaltig sein: „Es ist belegt, dass Frauen, die am Screening teilnehmen, signifikant seltener an Brustkrebs sterben“, betont der Mediziner.

Wie funktioniert das Sytem?

Frauen in der entsprechenden Altersgruppe werden alle zwei Jahre per Brief zu einem Screening eingeladen. Nach Verzögerungen im Zuge der Corona-Pandemie lagen zuletzt teilweise drei Jahre zwischen den Untersuchungen, doch nun soll der gewohnte Rhythmus wieder einsetzen. Das Screening funktioniert wie eine Röntgen-Aufnahme.

„In zehn Minuten ist man durch“, sagt Büroleiterin Christa Mämecke. Sie übernimmt derzeit diese zentrale Aufgabe von Sabine Hollemann-Uleer, die das Screening seit dem Start 2006 maßgeblich mit aufgebaut und zudem allein neun Symposien zum Thema Brustkrebs organisiert hat. Wo findet das Screening statt?

Wo findet das Screening statt?

Wer zum Screening will, muss keine langen Wege auf sich nehmen. Hildesheimerinnen werden in der Praxis von Christoph Uleer am Bahnhofsplatz untersucht. Im Umland ist ein „Mammographie-Bus“ unterwegs, der in jeder Kommune zwei bis drei Wochen Station macht. Bewohnerinnen der entsprechenden Orte werden dann dorthin eingeladen, Uleers Mitarbeiterinnen machen dort die Aufnahmen.

Wann gibt es das Ergebnis?

Einige Tage nach der Untersuchung. „Das nervt viele Teilnehmerinnen, hat aber gute Gründe“, betont Uleer. Vor allem sei das Vier-Augen-Prinzip. Unabhängig voneinander und ohne die Einschätzung des anderen zu kennen, schauen der Hildesheimer Mediziner und seine Göttinger Kollegin Sabine Schäfer sich die je zwei Bilder von jeder Brust an. Sind beide der ansicht, alles sei in Ordnung, bekommen die Teilnehmerinnen ein entsprechendes Schreiben.

Sabine Hollemann-Uleer hat das Screening mit aufgebaut und 17 Jahre lang maßgeblich organisiert.

Gelangen Uleer und Schäfer zu unterschiedlichen Befunden oder sind sie sich gar einig, dass ein Krebsverdacht vorliegt, entscheiden sie gemeinsam über das weitere Vorgehen. Sind sie sich einig, dass ein Verdacht besteht, folgen weitere Untersuchungen.

Warum wird die Altersgruppe ausgeweitet?

Dass die Altersgruppen für die Untersuchungen ausgeweitet werden, liegt an neuen medizinischen Erkenntnissen, erklärt Uleer. Die Studien, auf denen die bisherige Einteilung beruhte, stammten aus den 70er- bis 90er-Jahren. „Seither hat sich die medizinische Versorgung stark verbessert, die Lebenserwartung deutlich gestiegen, Frauen sind auch in höherem Alter oft noch sehr fit“, erklärt Uleer. Nicht umsonst hätten ursprünglich norddeutsche Landfrauen per Petition an den Bundestag mit genau diesen Argumenten das Verfahren zur Erhöhung der Altersgrenze in Gang gesetzt. Stützen konnten sie sich dabei auch auf neuere Studien aus den Niederlanden und aus Großbritannien.

Wie kommen Frauen ab 70 an Termine?

Letzte formale Hürde für die Anhebung der Altersgrenze ist die Zustimmung des Bundesamtes für Strahlenschutz, das das Screening für die neue Gruppe offiziell zulassen muss. Wenn die höheren Altersgrenze ab Sommer greift, gibt es allerdings eine Phase, in der interessierte Frauen von 70 bis 75 selbst aktiv werden müssen, erklärt Uleer: „Die automatische Einladung ist dann für die neue Gruppe noch nicht etabliert.“ Wer im besagten Alter ist und wessen letztes Screening mindestens 22 Monate zurückliegt, solle sich im besagten Zeitraum an das Gesundheitsamt Bremen wenden, das die Einladungen für ganz Norddeutschland koordiniere. Von Sommer 2025 an bekämen dann aber die 70- bis 75-Jährigen ihre Einladungen ebenfalls automatisch.

Was gilt für jüngere Frauen?

Für 45- bis 49-Jährige beginnt das Recht auf regelmäßiges Mammographie-Screening voraussichtlich im nächsten Jahr. Die Entscheidung hierüber liegt beim sogenannten Gemeinsamen Bundesausschuss des deutschen Gesundheitswesens, in dem unter anderem Vertreter der Krankenkassen, der Krankenhäuser und der Ärzteschaft vertreten sind. Nachdem das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ sich aus fachlicher Sicht für die Ausweitung der Altersgrenze auch nach unten ausgesprochen, gilt das Ja des gemeinsamen Bundesausschusses als wahrscheinlich.

Wie viele Frauen machen mit?

Dr. Christoph Uleer hofft, dass möglichst viele berechtigte Frauen von der Möglichkeit Gebrauch machen. In seinem Zuständigkeitsbereich laufen derzeit pro Jahr rund 90.000 Screenings, rund 58 Prozent aller infrage kommenden Frauen machen mit. Das ist zwar mehr als im Bundesdurchschnitt, wo es lediglich 49 Prozent sind. Zufrieden ist Uleer dennoch nicht. In Skandinavien liege die Teilnahmequote um die 70 Prozent.

Wie viele Brustkrebs-Fälle werden dabei entdeckt?

Erfahrungsgemäß gebe es auf den Röntgenbildern von rund fünf Prozent der Frauen Auffälligkeiten, die sich in den meisten Fällen aber als harmlos herausstellten. Rund 0,6 Prozent der untersuchten Teilnehmerinnen hätten tatsächlich Brustkrebs – und könnten durch die frühere Erkennung mit deutlich größeren Heilungschancen behandelt werden.

 

 

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